Serie „Ausbildung beim Kreis“: Von Paragrafen und Emotionen
20.08.2020
An der Wand ihres Büros, auf einem DIN-A-4-Blatt in Klarsichthülle, hängt der Bundesadler. Gemalt mit Filzstiften. Darunter steht „Deutschland“ und „Fr. Steffens“. Verziert mit zwei Herzen. Es ist das Geschenk eines Kindes. Ein Geschenk, das die Sachbearbeiterin in der Ausländerbehörde des Ennepe-Ruhr-Kreises berührt hat – auch nach vielen Berufsjahren noch.
Steffens ist eine von 27 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die zusammen rund 24.500 Fälle bearbeiten. Zuständig ist die Behörde für alle kreisangehörigen Städte außer Witten. Dabei geht es in der Regel um Aufenthaltstitel, die gewährt, verlängert oder abgelehnt werden müssen. Mit manchen befassen sie sich einmalig. Andere Familien begleiten sie über Jahre, sogar Jahrzehnte hinweg.
Staatsangehörigkeit entscheidend
„Wie ein Fall bearbeitet werden muss, welche Gesetzesgrundlage anzuwenden ist, das hängt ganz entscheidend von der Staatsangehörigkeit ab“, erklärt die gelernte Verwaltungswirtin. Neben den EU-Ausländern, für die grundsätzlich Freizügigkeit gilt, gibt es die sogenannten Positivstaaten, beispielsweise Australien, Japan und die USA. Bürger aus diesen Ländern dürfen ohne Visum einreisen, sich aber nicht länger als 90 Tage pro Halbjahr in Deutschland aufhalten. Wer länger bleiben will, muss bei der Ausländerbehörde einen Aufenthaltstitel beantragen.
Dort wird der Pass geprüft, aber auch, ob der Lebensunterhalt gesichert, der Antragsteller straffrei geblieben ist und ob er sich um Integration bemüht. Ähnliche Kriterien gelten bei Menschen, die aus visumspflichtigen Ländern eingereist sind, zum Beispiel aus Indien, Marokko oder Bolivien. Das Visum stellt die deutsche Botschaft im Herkunftsland aus, über einen Aufenthaltstitel muss die Ausländerbehörde entscheiden.
BAMF entscheidet über Asylanträge
Die vierte Gruppe sind diejenigen, die ohne Erlaubnis nach Deutschland eingereist sind und Asyl beantragen. Über die Anträge entscheidet zwar das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Für die Umsetzung ist aber die Ausländerbehörde zuständig: Wird einem Ausländer in ihrer Zuständigkeit die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt oder subsidiärer Schutz gewährt, vereinbaren die Sachbearbeiter einen Termin.
Sie nehmen Fingerabdrücke, biometrische Daten und, falls vorhanden, die Daten aus dem Pass auf und stellen einen befristeten Aufenthaltstitel aus. Spätestens kurz vor Ablauf seiner Gültigkeit folgt der nächste Termin. Aber in der Regel gibt es auch zwischendurch Kontakt.
"Ein Stück weit Sozialarbeit"
So klingelt an einem Vormittag bei jedem einzelnen Mitarbeiter der Behörde rund 20 Mal das Telefon. Es werden Fragen über Fragen gestellt: Ich möchte meine Frau aus dem Ausland nachholen, was muss ich dafür tun? Darf ich mich selbstständig machen? Ich habe ein Kind bekommen, wo muss ich es anmelden? Aber auch: Ich kann eine Rechnung nicht bezahlen, was soll ich jetzt tun? Oder: Was passiert, wenn ich mich trenne? „Was wir hier machen, ist ein Stück weit auch Sozialarbeit. Man erlebt so einiges“, sagt Steffens.
Begleitet man die Verwaltungswirtin an ihren Schreibtisch, schaut ihr dabei zu, wie sie mit den Kunden spricht, wie sie eine Aufenthaltserlaubnis erteilt, stellt man fest: Sie ist mit Herzblut bei der Sache. „Wenn Sie nach fünf Jahren sehen, dass jemand sich super integriert hat, fließend Deutsch spricht, weg vom Jobcenter ist: Da freut man sich mit. So eine positive Entwicklung ist wirklich schön.“
Menschliche Schicksale
Jedoch endet nicht jedes Verfahren mit einer Niederlassungserlaubnis oder gar einer Einbürgerung. Die Mitarbeiter der Ausländerbehörde müssen ihren Kunden auch schlechte Nachrichten überbringen können. Auch solche, die Lebensträume zerplatzen lassen. „Wir haben hier mit menschlichen Schicksalen zu tun, darüber muss man sich im Klaren sein“, sagt Steffens.
Lehnt das BAMF einen Asylantrag ab, so übernimmt ebenfalls die Ausländerbehörde, prüft jeden Fall individuell. In der Regel ist der Ausländer verpflichtet, innerhalb einer bestimmten Frist auszureisen. Kommt er dieser Pflicht nicht nach, bleibt der Behörde nur, ihn abzuschieben. „Die Arbeit ist nicht immer leicht“, sagt Steffens. „Aber jede Entscheidung beruht auf den Gesetzen im Ausländerrecht. Und das ist gut so. Alles andere wäre sehr subjektiv.“
Stichwort: Ausbildung in Verwaltungsberufen beim Ennepe-Ruhr-Kreis
- Der Ennepe-Ruhr-Kreis bildet auch im kommenden Jahr wieder Verwaltungskräfte aus, die einen Teil ihrer Ausbildung in der Ausländerbehörde absolvieren können. Es gibt freie Plätze für Verwaltungsfachangestellte, Beamte im mittleren nichttechnischen Verwaltungsdienst und für das duale Studium Bachelor of Laws (gehobener Dienst).
- Für alle Verwaltungsberufe gilt: Die Ausbildung ist so vielfältig, dass man im Anschluss daran in ganz unterschiedlichen Bereichen arbeiten kann. Die Entscheidung, an welcher Stelle man eingesetzt wird, liegt beim Arbeitgeber. Wünsche werden nach Möglichkeit berücksichtigt.
Foto: UvK Ennepe-Ruhr-Kreis
Fingerabdrücke nehmen, Daten prüfen: Auch das gehört zum Alltag von Verwaltungswirtin Steffens und ihren Kollegen in der Ausländerbehörde des Ennepe-Ruhr-Kreises.